Das dritte Geschlecht in Stellenanzeigen
Wer heutzutage einen Blick auf die Jobbörsen des deutschen Arbeitsmarktes wirft, wird sich vermutlich schnell in einem wilden Sammelsurium aus Geschlechterkürzeln wiederfinden; diese – so mag es dem einen oder anderen Verwirrten gehen – wirken wie Hieroglyphen in der Joblandschaft des 21. Jahrhunderts. Was also bedeuten das „n“ in „(m/w/n)“ oder ein schlichtes „gn“ in „(gn)“? Auch Buchstabenmixe mit „x“, „i“ oder „t“ sind bereits vielfach zu entdecken. Dass hierbei ein Schritt zur AGG-konformen Geschlechtsneutralität gemacht wird, lässt sich bereits erahnen. Was hinter diesem Wandel steckt und was Sie als Arbeitgeber zukünftig beachten sollten, erklären wir Ihnen in diesem Blog.
Auslöser für die vielfältigen Anpassungsversuche der Geschlechtsangabe in Stellenanzeigen ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im letzten Jahr. Das Urteil besagt, dass das Fehlen eines dritten Geschlechts im Geburtenregister einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz darstellt. Zusätzlich bedeutet dies eine Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Demzufolge legte die Bundesregierung im August einen entsprechenden Gesetzesentwurf vor, um das dritte Geschlecht als weitere Auswahloption im Geburtenregister gesetzlich fest zu verankern. Nach Urteilsverkündung war die Bundesregierung dazu aufgefordert worden, das Gesetz bis zum 31.12.2018 zu beschließen, was auch im letzten Jahr auch so umgesetzt wurde. Wo zuerst nur „männlich“, „weiblich“ im Geburtenregister eingetragen werden konnte, kann nun auch „divers“ angegeben werden. Damit soll auch jenen eine positive Eintragung möglich sein, die vorher „auf Lücke“ (durch Auslassen des Geschlechts) oder mit dem falschen Geschlecht lebten; nun kann auch Betroffenen offiziell eine eigene Identität zugesprochen werden.
Für wen gilt die Option des dritten Geschlechts?
Geltend wird sie für Intersexuelle sein: Der Verein Intersexuelle Menschen e. V. beschreibt sie als Personen, „deren geschlechtliches Erscheinungsbild von Geburt an, hinsichtlich der Chromosomen, der Keimdrüsen, der Hormonproduktion und der Körperform nicht nur männlich oder nur weiblich ausgeprägt ist, sondern scheinbar eine Mischung darstellt“ – und daher von Transsexuellen oder Transgender-Identitäten abzugrenzen ist. Diese weisen zwar körperliche Merkmale eines Geschlechts auf, fühlen sich diesem jedoch nicht verbunden, wodurch eine Diskrepanz zwischen sexuellem und gesellschaftlichem Geschlecht entsteht. Laut Spiegel Online wird die Zahl intersexueller Menschen auf circa 160.000 geschätzt, die höher liegt als bei Schätzungen von etwa 80.000 aus dem Jahr 2012.
Was bedeutet das konkret für Ihre Stellenausschreibungen?
Die gesetzliche Geschlechtserweiterung hat auch Folgen für das AGG, das schon seit 2006 als Schutz gegen Diskriminierung im Arbeitsrecht dient. Es darf niemand wegen des Geschlechtes benachteiligt werden, eine Tatsache, die sich auch in Stellenanzeigen widerspiegelt. Bereits während der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses, also im Bewerbungsprozess, greift das Gesetz bei unzulässiger Ungleichbehandlung ein: Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle zeigt auf, dass lediglich 2,2 Prozent der 5.667 untersuchten Stellenanzeigen diskriminierende Inhalte aufwiesen, was einen sehr guten Wert darstellt. Da ein Verstoß gegen das AGG bei einer Klage zu einer Geldstrafe von bis zu drei Monatsgehältern führen kann (sogenannte AGG-Hopper lassen grüßen), ist schon bei der Erstellung einer Stellenanzeige Vorsicht zu walten, um unnötige Risiken zu vermeiden.
Wie wird die neue Regelung konkret umgesetzt?
Da viele Arbeitnehmer von der kommenden Gesetzesänderung wussten, wurde das dritte Geschlecht bereits vermehrt in Inseraten angegeben. So berichtet Haufe etwa, dass circa 4.000, also rund 17 Prozent, von 23.629 untersuchten Stellenanzeigen die zusätzliche Geschlechtsangabe enthielten. Auf diese Weise entstanden auch diverse Versionen, um dem dritten Geschlecht, das es bis dato nur als Gesetzesentwurf gibt, auch in der Stellenanzeige Ausdruck zu verleihen. Neben Kürzeln wie „gn“ für „geschlechtsneutral“ lassen sich beispielsweise auf Stepstone.de auch „n“ für „neutral“, „i“ für „intersexuell“, „t“ für transsexuell, „a“ für „anderes“ oder sogar „x“ als Ausdruck für Neutralität. Die Bezeichnung „anderes“ wurde bereits mit dem Gesetzesentwurf von Innenminister Seehofer im Mai 2018 abgelehnt. Auch der Asterisk (oder sogenannte Genderstern) „*“ stand zur Diskussion, da er sich auch bei Anreden in Briefen und E-Mails anwenden lässt; so werden Mitarbeiter eines Unternehmens beispielsweise mit „Sehr geehrte*r Kolleg*innen“ angeschrieben. In Stellenanzeigen wurde auch schon stellenweise nach Positionen wie „Leiter*in“ gesucht.
Aber was solltest Du als Arbeitgeber nun nutzen und worauf achten? Zwar fehlen noch einige Schritte, bis das Gesetz final gültig ist, die Aufnahme des dritten Geschlechts in den Stellenanzeigen ist aber dringend zu empfehlen. Die oben genannten Abkürzungen sind zwar in dem Sinne nicht falsch und weisen darauf hin, dass das dritte Geschlecht bereits Bewusstsein geschaffen hat. Ratsam ist jedoch die Nutzung des Kürzels „d“ für „divers“, da eine Eintragung in das Geburtenregister nun mit dieser Bezeichnung möglich ist. Die Buchstaben „i“ und „t“ beispielsweise sind zu einseitig und decken nicht das gesamte Geschlechterspektrum ab – das „t“ spricht lediglich transsexuelle Menschen an, nicht jedoch intersexuelle Personen.
Wenn Du also einen Bauingenieur für Dein Unternehmen suchst, empfiehlt es sich, ihn als „Bauingenieur (m/w/d)“ auszuschreiben, um so AGG-konform zu handeln und eine potentielle Klage zu verhindern. Es kann weiterhin nicht schaden, auch bei neutralen Begriffen wie „Reinigungsfachkraft“ oder „Personalleitung“ die Klammer mit den drei Geschlechtern anzugeben, da Du so in jedem Fall abgesichert bist. Gleiches gilt für englische Jobbezeichnungen wie „Hiring Manager (m/w/d)“. Auf diese Weise signalisierst Du außerdem, dass Du als Unternehmen proaktiv handelst und alle Menschen gleichermaßen begrüßt.
Also werd noch heute aktiv, ändere Deine Stellenanzeigentexte, auch solche, die bereits online sind, und handle so schon jetzt im Sinne des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Denn: ein kleiner Buchstabe für Deine Stellenanzeige, ein großes Zeichen für alle Geschlechter da draußen.